Luciano Berio im Gespräch mit Uli Aumüller
Aumüller: Die erste Frage. Es ist ein Film über Teodoro Anzellotti, und sie schrieben ein Stück für ihn, die Sequenza XIII. Kam das Akkordeon zu ihnen und kamen sie zu dem Akkordeon.

Berio: Ich ging zum Akkordeon. Ich habe dieses Instrument sehr oft verwandt. Ich habe das Akkordeon hauptsächlich mit dem Orchester verwendet, im Dienst des Akkordeons, weil das Akkordeon ein sehr besonderes Instrument ist, das alles mitmacht (mit jedem geht). Und im Orchester kann es an allen harmonischen Qualitäten mithalten, mit den Holzblasinstrumenten, mit dem Blech, mit den Streichern. Also kann das Akkordeon zu allen Instrumenten des Orchesters sprechen. Aber als ich Teodoro Anzellotti entdeckte, natürlich, war ich froh, mit ihm arbeiten zu können, und diese Werk für ihn zu schreiben, er ist ein großer Meister dieses Instruments. Natürlich ist das Akkordeon ein sehr besonderes Instrument, weil es in sich selbst sehr viele Erinnerungen trägt. Die meisten Leute kennen das Akkordeon, sie wissen es, von der populären Musik, wenn sie in die Berge gehen, finden sie immer jemanden mit einem Akkordeon, der dazu singt. Oder im Jazz, und so weiter. Also die Sequenza für ihn ignoriert nicht die Geschichte dieses Instrumentes, was in ihm drinnen ist, das Erbe dieses Instrumentes. Was aber vielleicht auch eine Eigenart all meiner Sequenza ist. Ich benutze und ich entwickle manchmal gewisse historische Aspekte des Instruments, ich ignoriere nicht die Geschichte. Aber mit dem Akkordeon war es zu einem gewissen Zeitpunkt sehr schwierig, weil ... die Geschichte des Instruments sehr entfernt von unseren Konzertgebräuchen liegt. Also in dieser Sequenza hören wir ein Echo dieses populären Gebrauchs dieses Instruments, einfach in einer gewissen Weise, aber dann geht es fort in sehr komplexe Situationen. Also das Werk hat zwei Gesichter. In gewisser Weise. Ein einfaches - also nicht so einfach, aber musikalisch erinnernd oder hervorrufend einen gewissen einfachen Aspekt des Instruments ...

A: Es heißt auch “Canzone” im Untertitel. Von welcher “Canzone” sprechen sie da...

B: Nicht von einer besonderen “Canzone”, um sicher zu gehen, dass der Interpret verstehen wird, dass es einen inneren Zusammenhang mit dem populären Gebrauch des Instrumentes gibt. Also ich gebrauchte zwei Gesichter dieses Instrumentes, was in meinen Sequenzas sehr häufig geschieht. Also diese beiden Gesichter sind komplementär das eine zu anderen. Sie sind nicht entgegengesetzt, sondern sie schütteln sich die Hände (umarmen sich).

A: Was macht das Spiel von Teodoro Anzellotti so besonders. Warum kam es von ihm, dass sie sich entschieden für ihn diese Sequenza für Akkordeon zu schreiben.

B: Weil, genauso wie das Instrument einen sehr weiten Bereich hat, sehr viele Gesichter hat, sehr schwierige und komplexe, harmonisch vor allem. Und ein Einfaches. Und Teodoro verstand, sehr klar. Seine Technik ist so überragend, die mit dem sehr einfachen idiomatischen Aspekt des Instrumentes und des Werkes und auch mit dem sehr komplexen Aspekt zusammenwirkt. Er ist exzellent. Ich lernte viel von ihm.

A: Sie sind sozusagen auch ein Grund, warum das Instrument umgebaut werden musste. Vor allem für das Spiel der linken Hand. Könnten Sie ein bisschen darüber erzählen.

B: Es geht um die optimale Positionierung für schnelles betätigen der Oktavregister und der Umschaltmechanik des basso libero. Früher wurde das Instrument nur mit harmonischen Presets gebaut, sie hatten also Dur-Akkorde, verminderte Akkorde, Dominant-Akkorde, Moll-Akkorde. Sehr reduziert. Jetzt ist es möglich umzuschalten zwischen diesen Akkorden und allen anderen harmonischen Möglichkeiten.

A: Teo erzählte mir, dass er die Registermechanik umbauen lies, damit das Instrument in der Lage ist, ihre Sequenza spielen zu können. Ein Mechanik, die zuvor niemals so existiert hatte.

B: Das stimmt, aber ich kann es nicht spezifischer sagen, weil ich kein Techniker bin. Ich erinnere mich nur, dass die Position der Register und der Umschaltmechanik vertauscht wurden. Für den Techniker war das keine einfache Aufgabe und wurde zum ersten Mal auf diese Weise konstruiert.

U: Gut, ich denke, das wäre es schon. Vielen Dank.

B: Ich bin sehr dankbar, Teodoro gegenüber - was er getan hat. Für das, was ich von ihm gelernt hatte.

U: Warum komponieren sie diese Sequenza und auch die anderen so schwierig. In dieser Sequenza muß man fast zwei Instrumente gleichzeitig spielen, die linke und rechte Hand sind schon je für sich schon schwierig, und dann auch noch beide gleichzeitig. Warum eigentlich immer so schwer.

B: Das ist im Falle dieser Sequenza vielleicht eher eine Frage der Wahrnehmung (Auffassung), nicht so sehr technisch vielleicht, aber es ist ein Teil meiner Erkundung, ein Teil meiner Forschung. Jede Sequenza ist eine Studie, sie geht tief in das Instrument hinein, nicht nur in das Instrument, so wie wir es jetzt kennen, sondern ich richte auch den Blick nach vorne. Also es gibt ein sehr weites Spektrum der Annäherung. Ich mag Musiker nicht, die spezialisiert sind auf die Interpretation von zeitgenössischer Musik. Und die Sequenza brauchen diesen Typus von Musikern nicht. Sie brauchen jemanden, der über ein sehr weites Spektrum musikalischer Erfahrungen verfügt.

U: Vielen Dank.

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