Wie haben Sie zu ihrem Instrument,
dem Akkordeon, gefunden?
Mein Vater hat für allerlei Gelegenheiten mit einem Geiger und Gitarristen
Musik gemacht. Er konnte keine Noten lesen, war aber in der Lage, Musik
sehr schnell übers Gehör zu speichern und nachzuspielen. Das
Akkordeon war das zentrale Instrument meiner Kindheit, und so habe ich
mich riesig gefreut, als ich zum ersten Mal das Instrument meines Vaters
spielen durfte.
Wie kam es zu der Entscheidung, ein Hochschulstudium
in Deutschland zu beginnen?
Mir war sehr schnell klar, dass ich meine Leidenschaft mit dem Akkordeon
auch im Beruf weitergehen wollte. Nach einer Teilnahme beim Wettbewerb
„Jugend musiziert“ ermutigte der damalige Hochschullehrer
Hugo Noth und ein Redakteur des SWR meine Eltern, indem sie ihnen rieten,
ich solle eine professionelle Laufbahn mit dem Akkordeon anstreben. Mir
kam das recht und danach war die Hochschule in Karlsruhe nicht mehr weit.
Welche beruflichen Perspektiven haben Sie tatsächlich
mit dem Studium verbunden?
Über meine Zukunft hatte ich mir damals gar keine Gedanken gemacht.
Zunächst war ich nur überglücklich Musik studieren zu dürfen.
Wichtig war mir allerdings, dass Akkordeonspiel in den Mittelpunkt meiner
Arbeit zu stellen und von den besten Lehrern zu lernen. Außerdem
wollte ich mir den jugendlichen Rausch, die Leidenschaft fürs Akkordeon,
erhalten und das tun, was ich wirklich liebe. Ein Model eines konzertierenden
Akkordeonisten gab es damals noch nicht – aber das hinderte mich
nicht an eine interessante und spannende Zukunft mit dem Akkordeon zu
glauben.
Der Unterricht bei Wolfgang Rihm und die Teilnahme
an den Darmstädter Ferienkursen haben Sie stark beeinflusst. Wann
und wie entstand der Wunsch, sich um ein eigenständiges Repertoire
für das Akkordeon zu bemühen?
Dieser Wunsch entstand schon ziemlich früh in meiner Studienzeit.
Man muss dazu wissen, dass man damals als Akkordeonstudent in Karlsruhe
nicht sehr angesehen war.
Kaum jemand nahm mich wahr, geschweige den richtig ernst. Nur die Kompositionsstudenten
waren da anders. Sie waren neugierig und natürlich interessierte
auch ich mich für deren Welt. So entstanden recht früh Kontakte
zur Neuen Musik und enge Freundschaften in dieser Gruppe.
Mir war auch bald klar, dass mein Instrument nur wachsen kann, wenn es
eine eigene Identität mit interessanten und relevanten originalen
Stücken bekommen wird. Die Auseinandersetzung mit dem Neuen, die
auf der Höhe der Zeit stand, führte mich dann nach Darmstadt,
Witten, Donaueschingen und Straßburg. Damals gab es für das
Akkordeon fast keine Avantgarde-Literatur. Man musste gemeinsam eine neue
und auch fremde Klangwelt erforschen, zu der es noch keine Brücken
gab.
Was empfindet man, wenn einem dieses Vorhaben gelungen
ist und man seinem Instrument einen neuen Raum im Musikleben verschafft
hat?
Kunst ist primär etwas ganz Privates und zunächst eine Kommunikation
mit sich selbst. Wenn mir Ideen gelingen und ich ausdrücken kann,
was ich möchte, wenn ich also mit mir selbst einigermaßen zufrieden
bin, kann sich das auch auf andere übertragen und es entstehen vielleicht
sogar neue Räume. Ich staune selbst darüber und fühle mich
etwas privilegiert, daran mitgearbeitet zu haben das Akkordeon so verwandelt
zu haben. Ich beobachte auch, dass für viele junge Akkordeonstudenten
inzwischen die Arbeit an Neuer Musik ganz selbstverständlich geworden
ist.
Zahlreiche international bedeutende Komponisten wie
z.B. Luciano Berio, Heinz Holliger, Michael Jarrell, Mauricio Kagel, Isabel
Mundry, Gerard Pesson, Matthias Pintscher, Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino,
Dieter Schnebel, Marco Stroppa, Jörg Widmann oder Hans Zender haben
für Sie Werke geschaffen. Wo liegt in der Zusammenarbeit mit den
Komponisten für Sie die größte Herausforderung und was
treibt Sie an, sich immer neuen Aufgaben zu stellen?
Es ist natürlich ein gewisser Stolz, der erste gewesen zu sein. Und
es ist immer ein Neubeginn einer ästhetischen Erfahrung, deren Ausgang
ein gewisses Risiko birgt. In der heutigen Zeit gibt es keine einheitliche
Stilform. Komponisten müssen tief in sich hineinhorchen, um einen
eigenen Ton zu finden. Es ist spannend, ihre geistigen und kulturellen
Leistungen aufzunehmen. Manchmal steht etwas Klang-Sinnliches im Vordergrund,
das andere Mal ist das Experiment oder das Intellektuelle das Entscheidende.
Die Zusammenarbeit ist bereichernd, denn es entstehen inspirierende Begegnungen
mit starken Persönlichkeiten. Durch diesen Umgang muss ich mich immer
wieder hinterfragen und komme durch einen kritischen Blick auf meine eigene
Arbeit zu neuen Ideen und Ansichten. Ich erlebe das gerade jetzt in Köln,
wo ich „Storie di altre storie“ komponierte Transkriptionen
von Mozart, Mauchaut und Scarlatti für Soloakkordeon und Orchester
uraufführen werde. Der Komponist Sciarrino hat eine ganz eigene,
aparte Vorstellung der Interpretation, was natürlich ein Teil der
Komposition ausmacht, die für mich neu, manchmal fremd, aber dennoch
überzeugend ist. Ich konnte mich auf seine Vorstellungen einlassen
und mein Bild beiseite stellen. So zu arbeiten ist selbstverständlich
anstrengend, aber vor allem enorm anregend.
Hätten Sie Ihre Ziele und Ideen auch in einem
anderen Land realisieren können und warum haben Sie Deutschland als
Ihren Lebensmittelpunkt gewählt?
In Deutschland bin ich aufgewachsen, habe hier die Schule besucht und
studiert. In einem anderen Land leben zu wollen habe ich mich bisher nie
gefragt. Zwar unterrichte ich in der Schweiz und bin dort beruflich ebenso
aktiv wie hier, aber das kann ich aus Freiburg problemlos erreichen. Außerdem
finde ich die deutsche Musikszene sehr spannend. Sie ist ernst, vielschichtig
und hat eine enorme Tradition. Hinzu kommt, dass wunderbare Musiker aus
der ganzen Welt nach Deutschland kommen und diese Tradition ergänzen
und bereichern.
Sie unterrichten seit 1987 an der Hochschule der Künste
Bern, jetzt auch an der Hochschule in Freiburg und bei den Ferienkursen
in Darmstadt. Was möchten Sie an die junge nächste Generation
von Musiker weitergeben?
Ich glaube, es ist für Studenten äußerst interessant,
einem Musiker der regelmäßig auf der Bühne steht, zu erleben
wie er arbeitet, analysiert und umsetzt. Gerade das junge Akkordeon hat
in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Entwicklung erlebt und ist
wie kein anderes Instrument so flexibel geworden, hat sich von überlieferten
Mustern der Vergangenheit so radikal emanzipieren können. Literatur,
Spielkultur, Hörbild, Präsenz, Pädagogik usw. haben sich
enorm entwickelt. Durch die relativ kurze Entwicklungszeit der klassischen
Musik auf dem Akkordeon sollten besonders die konzertierenden Akkordeonisten
ihre Erfahrungen an die junge Generation weitergeben. Für mich ist
das unterrichten aber auch ein Gewinn. Man muss für die Studenten
seine Ideen feilen, präzisieren und artikulieren. Andere Wege mitgehen
und mitlernen. Es gibt interessante Schüler die einem mit Unerwartetem
konfrontieren und mit denen man sich auseinander setzt. So entstehen auch
überraschende, neue und spannende Verläufe.
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